Weiter geht es mit der losen Sammlung von Perspektiven, Ansätzen, Begriffsbildungen, denen gemeinsam der Versuch ist, Trumps rechtsradikale »Revolution« zu verstehen: Was ist das, was steckt dahinter?
Bisher: Kompetitiver Autoritarismus bzw. Neoimperialismus (hier)? Faschismus bzw. Wechselbalg (hier)? Konterrevolutionärer Terror bzw. Mobbing als Machtform (hier)? Gegen-68 bzw. der Durchgriff der Rackets (hier) Nationalkapitalismus, technofeudale Offensive bzw. revolutionäre Zerschlagung des Staatsapparates (hier)? CEO-Diktatur bzw. »Snow Crash«-Kapitalismus (hier)? Trump als Symptom einer großen kapitalistischen Krise oder Patrimonialismus (hier)?
Klaus Theweleit beginnt im Gespräch mit der »Zeit« mit einer Warnung vor einer »maßlosen Überschätzung« jener, die sich politisch zu dem äußern, was nur schwer zu begreifen ist – mit einer Erinnerung an Claude Lanzmanns Filmen zur Schoah: »Mit den Nazis sei ein neues Denken und Handeln in die Welt gekommen, das man vorher nicht für möglich gehalten hätte. Es war zu unfasslich. Es legte das Handeln lahm und ließ das eigene Hirn daran zweifeln, was die Augen gesehen hatten. Mir scheint im Moment in der Welt etwas Ähnliches zu passieren.« Man solle also nicht so tun, »als könnten wir das alles, was um uns herum abläuft, verstehen und erklären wie den Lauf von Billardkugeln.«
Dann aber geht es um die Gewaltförmigkeit des Trumpismus, die Zurschaustellung gewalttätiger Männlichkeit: »Der Körpertyp, um den es hier geht, immer behauptet, aus Notwehr zu handeln – weil der Rest der Welt ihm den Platz zum Leben nimmt und seine Körperlichkeit zu zerstören droht. Sein Körper droht ständig zu fragmentieren. Wogegen er sich zu panzern versucht. Seine Daseinsweise ist Gewalt.« Theweleit erklärt dies psychoanalytisch wie in »Männerphantasien«, sieht aber unterschiedliche Ursachen für den aktuellen maskulinen Backlash, der sich (auch) in den rechtsradikalen Bewegungen der Gegenwart ausdrückt: »Wir sollten nicht glauben, wir könnten alles mit einer Sache erklären«, so Theweleit. »Wir haben es aber zu tun mit Menschen, die sozusagen körperlich antidemokratisch sind. So viel kann man sagen.« Und: »Es gibt Neues zu entdecken, wenn man die Elektronik miteinbezieht. Eine riesige Masse von Leuten, die vorher im Dunkel saßen, können sich heute übers Netz verbinden und für jede Scheiße, die sie schreiben, Millionen Klicks und eine imaginäre Macht kriegen, die sich politisch in Wirklichkeiten umsetzen lässt.«
Morton Paul geht dem »Faschismus als Lustgewinn« nach und schlägt eine Perspektive »im Rückgriff auf Texte der Philosophen George Bataille und Gilles Deleuze sowie des Psychiaters Félix Guattari« vor, die erklären könnte, warum »Menschen beizeiten für ihre eigene Knechtschaft kämpfen, als sei es für ihr Heil«. Dreh und Angelpunkt sei das Begehren: »Selbst wo es keinen Profit einzufahren gibt, ja das Bankkonto oder die Karriereleiter sogar Schaden zu nehmen droht, ist in der Parteinahme für den Faschismus ein Gewinn zu verbuchen – ein Lustgewinn.« Paul folgt der Traditionslinie dieses Gedanken über Leo Löwenthal und Theodor W. Adorno bis zu Étienne de la Boétie und Spinoza zurück.
Es geht, wie dann anhand von Bataille, Deleuze und Guattari vorgetragen wird, auch um die Zurückweisung von »Erklärungen, die die Parteinahme für den Faschismus als Verführung oder Betrug deuten«. Statt die »freiwillige Unterwerfung« gegenüber Faschisten wie Mussolini oder Hitler »als Illusion oder ihrer Rationalisierung als Protest« zu verkennen, gehe es darum, »Formen der Subjektivierung« als »Mikrofaschismus« zu verstehen, weshalb der Affektpolitik der Rechtsradikeln mehr Aufmerksamkeit zukommen müsse. Diese »erzeugt Stimmungen und Wetterlagen, die völkische Vorstellungen und Verschwörungstheorien, Antisemitismus, Rassismus und Queerfeindlichkeit nahelegen«. Eine Rolle spielen dabei Verschwörungstheorien, aber »Versuche, den Faschismus durch Richtigstellungen zu entzaubern«, seien zum Scheitern verurteilt.
Auf die Rolle von Affekten kommen auch Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey in ihrem Vorschlag zu sprechen, mit Blick auf Trump aber auch die AfD den Begriff »Demokratischer Faschismus« einzuführen und außerdem von »neufaschistischen Projekten und Spektren« auszugehen. Auf den ersten Blick erscheine das widersprüchlich, »da der Faschismus als politisches Regime die Negation der Demokratie war. Aber in dem plakativ verschlagworteten Gebrauch des Begriffs Faschismus wird der Prozess, durch den der Faschismus in der demokratischen Ordnung erwächst, zur Macht kommt und diese später zerstört, zu wenig berücksichtigt.« Man stehe »momentan nicht oder noch nicht vor einem faschistischen Putsch. Rechtsradikale können gewisse Ziele auch in der Demokratie erreichen«. Genau dies aber mache »die gefährliche Banalität des Faschismus unserer Zeit aus. Er vollzieht sich im Normalbetrieb der parlamentarischen Demokratie und in unserer Alltagswelt. Dadurch wird er zu einer Normalität, die in und neben den Institutionen und Normbeständen der liberalen Demokratie gelebt wird.«
Der »demokratische Faschismus« beruhe sehr stark »auf einer hoch politisierten Zivilgesellschaft, einer affektiven und netzwerkartigen Hyperpolitik. Sie bildet ein polymorphes politisches Spektrum, das nicht auf ein festes Set von Merkmalen festgelegt ist«. Und: »Die faschistische Bewegung der Gegenwart ist nicht vertikal integriert, sondern affektiv dezentriert.« Wenn es allerdings »so etwas wie gemeinsame Nenner dieser verschiedenen Projekte gibt, dann diese: Sie sind anti-egalitär, anti-kosmopolitisch und exkludierend.« Trump sei kein Faschist, »aber sein politischer Stil ist faschistisch: das unaufhörliche Schüren von Angst, Groll und Schikane gegen Minderheiten, inflammatorische Kundgebungen, die beiläufige, aber genussvolle Befürwortung von Gewalt, die allgegenwärtige Verbreitung von Verschwörungstheorien. Und vor allem: die lustvolle, performative Grausamkeit.« Dies lasse sich auch bei der AfD beobachten.
Die »rechtsradikalen Tendenzen der Gegenwart weisen viele Unterschiede zum historischen Faschismus auf, die letztlich wahrscheinlich größer sind als ihre Ähnlichkeiten«, so Amlinger und Nachtwey. Es gebe zwar ein »faschistisches Moment«, aber kein faschistisches Regime. Sowohl die allgemeinen weltpolitischen Umstände als »auch die soziopolitischen und ökonomischen Bedingungen sind andere. Wir verstehen die Krise der Gegenwart nicht, wenn wir versuchen, sie auf die Chiffre der gescheiterten Weimarer Demokratie zu beziehen.« Enzo Traverso habe das konzeptuelle Problem der Faschismusdebatte auf den Punkt gebracht: Es »scheint sowohl unangemessen als auch unverzichtbar zu sein, um diese neue Realität zu begreifen«. Weder haben wir es mit der Wiederkehr des alten Faschismus noch mit etwas völlig Anderem und Neuen zu tun, sondern mit einer »hybride(n), heterogene(n) politische(n) Bewegung, die die politisch restaurative Imagination der Vergangenheit aufgreift, deren Zukunft aber unklar bleibt«.
Axel Struwe wendet gegen die allgegenwärtige »Bezeichnung Faschismus« ein, (auch er tut dies wie Amlinger und Nachtwey unter anderem in Abgrenzung zu Jason Stanley), es handele sich dabei um »eine Übersprungshandlung in der intellektuellen Hilflosigkeit gegenüber der Welt«: »Wir müssen es Faschismus nennen, weil wir keine besseren Begriffe haben – sprich, kein besseres Verständnis der Verhältnisse, die sich zu immer größeren Katastrophen verdichten.« Vom Faschismus zu sprechen, treffe »den moralischen Nerv empörten Bürgertums, das verleiht den Nimbus mutiger Wahrheitsverkündung, setzt starke Signale und erleichtert die Ohnmachtsgefühle. Aber es ändert nichts am dringenden Problem: Wer vom Faschismus reden will, kann vom Kapitalismus – also den wirklichen gesellschaftlichen Verhältnissen – nicht schweigen.«
Andrian Kreye will nicht auf die ökonomistische Pointe von Struwe hinaus, meint aber auch: »Faschismus? Das trifft es nicht«. Dem Trumpismus fehlten nicht nur »die Bilder«, sondern auch die Institutionen: »Denn der Trumpismus basiert auf einem umgekehrten Verständnis des Staates: Der Faschismus war die ultimative Form des starken Staates. Trump und seine Anhänger wollen keinen Staat. Was da gerade wie Chaos und Stümperei wirkt, ist der Umbau des Staates in eine Form, für die es noch keinen allgemeingültigen Begriff gibt. Auch deshalb, weil diese neue Staatsform noch im Entstehen ist.« Kreye greift dann eine Reihe von Überlegungen aus, dieses Neue auf den Begriff zu bringen: von Jürgen Habermas (»digital gesteuerte Technokratie«) über Paul Feigelfeld (»AI-tokratie«), David Golumbia (»Cyberlibertarianism«) bis zu Jens Hillebrand (»Post-state Superpower«).
Eine andere Spur, die Kreye verfolgt: das »Technocracy Movement« der 1930er Jahre, zu dessen Köpfen Elon Musks Großvater Joshua Haldeman gehört habe, und dessen Denken heute etwa in der »Dark Enlightenment«-Schule immer noch lebendig sei, die »Demokratie, Wissenschaft und den gewählten Staat als elitäres System, das den Menschen ihre aufgeklärten Weltanschauungen aufzwingt«, ablehne. »Noch ist die neue Welt in Amerika zwar erst im Entstehen. Doch auch in der Methodik zeichnet sich noch ein Unterschied zu den Faschisten ab. Faschisten benutzten Technologie als Werkzeug für die Errichtung eines ideologischen Staates. In der Technokratie ist die Technologie selbst der Staat, und der Deal das Ziel. In den Dreißigerjahren war das zu Zeiten des ›Technocracy Movement‹ technisch noch gar nicht möglich. 2025 stehen mit den Automationsmechanismen der künstlichen Intelligenz alle Mittel bereit.«
Natascha Strobl meint dagegen, »das Wort Faschismus ist angemessen«. Was auch daran liegen mag, dass sie an der aktuellen Debatte über rechtsradikale Erscheinungen besonders stört, »dass die Beurteilung der extremen Rechten immer sanfter wird. Die Bezeichnung ›Rechtspopulismus‹ nimmt überhand. Sie ist zu einem ›Rechtsextremismus light‹ verkommen und wird oft benutzt, wenn andere Ausdrücke angebrachter wären.« Sie selbst habe früher »gern den Begriff ›radikalisierter Konservatismus‹ verwendet, um zu beschreiben, was bei den Republikanern in den USA passierte.« Es sei allerdings klar gewesen, dass dieser Begriff »nur eine Zwischenphase abbilden kann«. Inzwischen seien »bei mir und den meisten anderen die Fragezeichen weg«, ob der »Trumpismus« bereits Faschismus ist. Strobl ist sich zwar nicht sicher, ob Trump ein Faschist ist, weil unklar ist, ob er »überhaupt an irgendetwas glaubt. Aber er ist durch eine faschistische Dynamik ins Amt gekommen«, die MAGA-Bewegung sei »ideologisch und strukturell faschistisch«, eine Reihe von Trumps Finanziers müssten als »ideologische Faschisten« bezeichnet werden.
Strobl kommt dann auf einen für die Debatte wichtigen Punkt zu sprechen: »Es war eine bewusste Strategie der extremen Rechten, den Begriff in den vergangenen zehn Jahren für jedes kleine Ärgernis zu benutzen: von ›Coronafaschismus‹ über ›Gesundheitsfaschismus‹ und so weiter. Dadurch hat sich das Wort abgenutzt und wurde immer unübersichtlicher.« Aber auch die politische Linke habe ihren Beitrag dazu geleistet: Mit »dem sprachlichen Maximalismus« sollte ausgedrückt werden, »wie schlimm alles ist, obwohl die Diagnosen nicht immer passten. Nun haben wir es tatsächlich mit Bewegungen zu tun, die staatliche Ordnungen umwerfen wollen, doch der Begriff wirkt ausgeleiert«.
Der Historiker Sven Reichardt fasst auch noch einmal Aspekte der Debatte zusammen. Oft würde darauf verwiesen, »dass Trump im Gegensatz zum historischen Faschismus keinen starken Staat will und keine uniformierten Paramilitärs befehligt«. Bei allen Unterschieden würden aber auch Experten Robert Paxton neben den Unterschieden schon in Trumps erster Amtszeit »zahlreiche Elemente faschistischer Rhetorik in Sprache und Inszenierung« gesehen haben. »Die Aggressivität, die Verherrlichung des Rechts des Stärkeren, der Ultranationalismus, die rassistischen Attacken gegen Migranten, die obsessiven Untergangsphantasien – all dies stamme aus dem Arsenal des klassischen Faschismus. Daran erinnerten auch die personalistische Ausrichtung seiner Politik und die Hartnäckigkeit, mit der Trump sein erratisches Programm verfolge. Auch die Auftritte vor seinen Anhängern folgen einer aus dem Faschismus bekannten Liturgie.«
Er kommt dann, wie Theweleit, auf Enzo Traverso zu sprechen: Die Faschismusforschung sei nicht länger ein historisches Phänomen im Zeichen stabiler Demokratien, habe dieser dort erklärt und für den Begriff »Postfaschismus« plädiert: Staatsterrorismus sei heute eher die Ausnahme als die Regel, die Arbeiterklasse sei voll integriert, der Autoritarismus der Postfaschisten werde von einer Verkultung der Marktwirtschaft begleitet – radikaler Wirtschaftsliberalismus und Postfaschismus seien ›gefährliche Verbündete‹.«
Was die heutigen »gesellschaftlichen Konstellationen, die den Aufstieg des historischen Faschismus begünstigten« angeht, schreibt Reichardt: »Die gesellschaftliche Fragmentierung hat ein vergleichbares Ausmaß erreicht. Drei gesellschaftliche Entwicklungen sind entscheidend: die ökonomische Krise, der Wandel der Geschlechterordnung und der radikale Umbau des Mediensystems. Das sind die Gelegenheitsfenster des Postfaschismus.« Die »postfaschistischen Bewegungen ähneln einem Wurzelgeflecht – sie agieren dezentral und sind zugleich transnational vernetzt. Seine vielfältigen Varianten verbinden aber Rassismus und Nationalismus mit einer Sprache und Symbolik, die auf den Mythos nationaler Wiederauferstehung zielt. Ob wir uns heute in der Gründungsphase neuer Diktaturen befinden und ob diese dann ähnliche Schritte wie der historische Faschismus gehen werden, ist offen. Unmöglich ist es nicht.« Traversos Vortrag ist hier nachzuschauen. Und hier formuliert Reichardt noch etwas ausführlicher: »Was ist Postfaschismus?«
Der Historiker Daniel Hedinger meint, die Frage, ob Trump ein Faschist sei, laufe auf eine problematische Eindeutigkeit hinaus. »Denn sie überblendet einen entscheidenden Charakterzug des Faschismus: Seinen Aufstieg verdankt er stets einem längeren Prozess, der von Radikalisierungsschüben gekennzeichnet wird. Darum andersherum: Wenn wir mit letzter Sicherheit sagen können, dass ein Politiker ein Faschist ist, ist es schon viel zu spät – die männliche Form ist hier übrigens bewusst gewählt, denn die Geschichte ist bemerkenswert arm an faschistischen Führerinnen oder gar Diktatorinnen.«
Die Debatte habe »sich jedoch insgesamt zu lange und zu viel mit Definitionsfragen beschäftigt, die dann in scheinbar eindeutige Antworten mündete, die wiederum jede weitere Diskussion unterband. Das Problem damit ist nur: Auch schon in einer pseudo-faschistischen Autokratie oder einer quasi-Diktatur lebt es sich, je nachdem welche Hautfarbe, Geschlecht oder Gesinnung man hat, nicht mehr so gut. Was wir zum jetzigen Zeitpunkt aber mit Sicherheit sagen können, ist, dass Faschismus seit einigen Jahren auf dem Vormarsch ist – und zwar weltweit. Dies wiederum hat sehr wohl viel mit Trump zu tun.« Hedinger zufolge liegt der Fokus »momentan stark auf Trump und die Faschisierung der USA. Aber wahrscheinlich ist das mitnichten unser größtes Problem«, höchst besorgniserregend sei hingegen, »dass Trump einer imperialen Politik Vorschub leistet. Dies dürfte über Jahre hinaus in vielen Weltgegenden eine stark destabilisierende Wirkung haben.«
Kurzer Einschub. Während viel und kontrovers über die Frage debattiert wird, ob man Trump oder die AfD auf den Begriff »Faschismus« bringen solle, läuft hierzulande noch eine andere Debatte, die auch etwas mit dem historischen Faschismus zu tun hat, seiner deutschen Besonderheit: »Wie groß war der Abstand zum ›Führer‹?«, ist Dietmar Süß’ Rezension der beiden Bücher überschrieben, die sich da gewissermaßen gegenüberstehen: Peter Longerichs »Unwillige Volksgenossen« und der von Felix Bohr herausgegebene Band »Hitlers treues Volk«, der bereits publizierte Beiträge aus einer Tochterpublikation des »Spiegel« zusammenstellt. Während Longerich die These ausbreitet, »das Regime konnte sich nicht auf einen breiten Konsens in der Bevölkerung stützen«, lautet der Untertitel des zweiten Werks »Warum so viele Deutsche dem Nationalsozialismus verfielen«. Süß diskutiert in seiner Rezension methodische Probleme bei Longerich, dessen »radikale Einseitigkeit« und kritisiert seinen Blick auf die Funktionsweisen nationalsozialistischer Herrschaft, die »wenig Raum für die zentrale Dimension gesellschaftlicher, gänzlich freiwilliger Selbstmobilisierung erheblicher Teile der deutschen Gesellschaft« lasse.
Paul Krugman meint derweil, wenn man einen Begriff für das suche, »was in Amerika passiert, denken Sie an Maos Kulturrevolution«. Der Ökonom sieht »Parallelen zwischen den Zielen von MAGA und Chinas Kulturrevolution«, Mao habe Lehrer zur Landarbeit geschickt, die Trumpisten wollten Beamte in Fabriken einsetzen. »Die Kulturrevolution war natürlich eine riesige Katastrophe für China. Sie brachte ihren Zielen enormes Leid und ruinierte die Wirtschaft«, so Krugman, aber das sei bei den Trumpisten nicht anders: »Ihr Amoklauf wird, wenn er nicht eingedämmt wird, verheerende wirtschaftliche Folgen haben«, sagt der Ökonom mit Blick vor allem auf die Zollwut des US-Potentaten.
Auch Mark Siemons ist auf diesen Punkt gekommen. Auch im Reich der Mitte fühle man sich angesichts von Trumps Politik an die Kulturrevolution erinnert, »interessanterweise gehörten Chinesen zu den Ersten, denen die frappierende Ähnlichkeit auffiel«, so habe etwa ein Rechtswissenschaftler an der Peking-Universität geschrieben: »Kulturrevolution bedeutet, dass ein oberster Führer eine Massenbewegung orchestriert, um die öffentlichen, staatlichen und rechtlichen Organe zu zerschlagen, und einfache Bürger dafür einspannt, unbotmäßige Eliten zu beseitigen.« Siemons: »Der Vergleich hinkt natürlich. Der Kontext und die Begleitumstände im China der Sechzigerjahre sind völlig andere gewesen«, aber »strukturell gibt es tatsächlich erstaunliche Entsprechungen. In beiden Fällen rechtfertigt ein Machthaber Angriffe auf staatliche Institutionen, indem er ideologische Ressentiments der Bevölkerung aktiviert«, siehe DOGE, bei denen man sich an die bilderstürmerischen Rotgardisten erinnert fühlen könne. »Und damals wie heute geben Intellektuelle in Hochschulen und anderen Kultureinrichtungen das Haupt-Feindbild ab.« Besonders stark seien die Parallelen »bei der radikalen Disruptionsrhetorik«: Wo Mao gefordert hatte, »schafft ein großes Chaos unter dem Himmel«, glaube Trump, »die neue Weltwirtschaftsordnung, die einmal den amerikanischen Arbeitern zugute kommen soll, offenbar nur durch die Zerstörung der alten erreichen zu können… Der Voluntarismus, der den Erfolg immer neuer waghalsiger Experimente von der Inbrunst des Glaubens daran, der Intensität des Bewusstseins, abhängig machte, scheint in Trump einen Schüler gefunden zu haben.«
Die US-Historikerin Jennifer Mittelstadt beschreibt Trump als Wiedergänger der 1930er Jahre, aber anders: als »Souveränisten«. In ihren Forschungen sei sie auf »eine Verbindung zwischen der rechten, basisdemokratischen, langfristigen Bewegung der Souveränisten und der Rhetorik der Trump-Regierung« gestoßen: »Sie lehnen den Internationalismus ab, diese Idee der Weltbürgerschaft und der Weltordnung, und damit auch internationale Organisationen, von den Vereinten Nationen über multilaterale Verteidigungsabkommen bis hin zu globalen Handels- und Klimaabkommen.« Einer der wichtigsten Einflüsse, deren Trump unterliegt, sei »die historische Ader der anti-internationalistischen Souveränität«. Entsprechende Bewegungen »entstanden 1919 in Opposition zum Vorschlag des Völkerbundes«, gegen die in den USA »Gruppen konservativer, weißer Protestanten, viele von ihnen Fundamentalisten, die die Rassentrennung und die Weiße Vorherrschaft befürworteten« opponierten und entsprechend auch mit der Nazibewegung in Deutschland sympathisierten. Später »schufen die Souveränisten ihre eigenen Organisationen mit ausdrücklich anti-internationalen Zielen«. Es gebe »Leute, die in den 1930er-Jahren aktiv waren, die den Anti-Internationalismus in gewissem Sinne definierten, die Deutschland, Italien und Spanien unterstützten und die dann in den 1940er- und 1950er-Jahren Anti-UN-Organisationen gründeten, die bis in die 1980er-Jahre hinein Bestand hatten. In Trumps Regierung gibt es Leute, zumindest unter seinen Beratern, die Mitglieder solcher Organisationen sind. Trumps Slogan ›America First‹ wurde erstmals von der nationalistischen Bewegung der 1930er-Jahre verwendet und in den 1950er-Jahren sehr populär. Diese Verbindungen sind real, sie sind nicht nur ein Echo.«
Claus Leggewie hat in zwei Texten Trumps Regime in den USA als Monarchie beschrieben (hier und hier). Er verweist auf »wiederholte Anspielungen« Trumps auf eine dritte Amtszeit, »auch der unübersehbare Aufbau einer Familiendynastie« gehöre dazu, und »vor allem Drohungen, demokratische Wahlen, die nicht IHN auf den Thron heben, dürfe man einfach ignorieren«. Es geht Leggewie dabei ausdrücklich um einen Gegenbegriff: »Manche Analytiker der weiter von einer millionenfachen Anhängerschaft getragenen Zustimmungsdiktatur wenden auf sie mittlerweile die Kategorie des Faschismus an, einen Begriff, der trotz unverkennbarer Analogien zum Aufstieg Mussolinis und Hitlers problematisch erscheint, weil er im Schatten des Holocaust steht und, ganz trivial, weil 2025 nicht 1933 ist.«
Sinnvoller erscheine ihm, von Trumpismus zu sprechen, zu dessen Bausteinen erstens die Persönlichkeit, »zweitens sein sprunghafter Regierungsmodus« und drittens »eine oligarchische Gesellschaftsstruktur« gehöre, »die einen Präsidenten Trump bereits zweimal möglich gemacht hat«. Vom Bild der Monarchie abgeleitet kommt Leggewie auf die Rolle Elon Musks als »Höfling« zu sprechen, der diese aber Zug um Zug zu verlieren scheint. Einen »Trennungsgrund« sieht Leggewie darin, »dass Trump und Musk zwei verschiedenen Kapitalfraktionen angehören und auf der gemeinsamen Grundlage einer rechtslibertären Staatsfeindlichkeit in Kombination mit einem schrankenlosen Autoritarismus außenwirtschaftspolitisch konträre Interessen verfolgen. Trump ist ein Ethnonationalist, der mit einem protektionistischen Programm der Reindustrialisierung die weiße Arbeiterklasse wieder stark machen möchte… Elon Musk verkündet ebenfalls ein weiß-rassistisches Übermenschentum, aber er hat kein Interesse an einer nationalistischen Abschottung der Vereinigten Staaten. Vielmehr träumt er, unter Einschluss der eigenen Person, von einer weltumspannenden Herrschaft des aller Fesseln enthobenen Fintechkapitals.«
Auf die Widersprüche innerhalb der rechtsradikalen Strömungen blickt auch Robert Pausch, der aber vor allem darauf hinauswill, warum diese trotz tiefer Brüche trotzdem zusammenhalten. »Trotz mächtiger Differenzen gibt es in der radikalen Rechten einen ebenso mächtigen Kitt, der die ungleichen Partner bislang zusammenhält. Es gibt geteilte Überzeugungen, gemeinsame Gegner und überraschende Allianzen.« Das wird dann ausführlich und auch mit Blick auf die AfD geschildert. »Der Riss innerhalb der radikalen Rechten vollzieht sich also nicht entlang taktischer oder strategischer Fragen. Es geht um die ganze Klaviatur der Ideologien. Das Menschenbild, das Staatsverständnis, die Zukunftsvorstellungen.«
Und doch besteht in zentralen Fragen Einigkeit: Erstens in »der autoritären Sehnsucht«, dem Streben »nach Hierarchie, nach einer Gesellschaft, in der die auserwählten wenigen über die vielen herrschen«. Zweitens im darauf aufbauenden gemeinsamen Feindbild (»alles vermeintlich Gleichmacherische, Hierarchiefeindliche, Linke, Woke und so weiter«. Drittens sind die Lage in ihrer apokalyptischen Grundstimmung vereint, worauf viertens »ein Ethos der Tat« reagiert (»Handeln, bevor es zu spät ist. Jetzt oder nie.«) Hier sieht Pausch übrigens einen bedeutenden »Unterschied zu den Meinungs- und Richtungskämpfen auf der Linken. Ihr Streit war und ist seit je einer über die Methode und das Tempo der eigenen Politik: Anpassung oder Abweichung, KPD oder SPD, Schröder oder Lafontaine, Scholz oder Reichinnek?«
Die MAGA-Bewegung sei reaktionär und futuristisch gleichermaßen, schreiben die Historiker Lukas Paul Schmelter und Joseph de Weck. »Der Slogan ›Make America Great Again‹ entspringt einem reaktionären Geist, doch er zieht viel Dynamik aus seiner futuristischen Kraft. Maga verknüpft den Wunsch nach Rückkehr an den Küchentisch der 1950er-Jahre mit dem kühnen Traum, den Mars zu kolonisieren. Er vermengt die Nostalgie nach dem Autokult der Mitte des 20. Jahrhunderts mit der Faszination für die Wucht des Starship von Space-X. Diese Kombination, die man als ›reaktionären Futurismus‹ bezeichnen mag, übertüncht die unbefriedigende Gegenwart, indem sie zugleich positive Erinnerungen an vergangene Zeiten weckt und glorreiche Visionen einer nahen Zukunft entwirft – sobald das gegenwärtige, aber nötige Chaos überwunden sei.«
Eine Schlussfolgerung von Schmelter und de Weck: Trumps Widersacher müssten ebenfalls lernen, in radikalen Utopien zu denken. »Eine Politik, die bloß die Rückkehr zum ›Status quo ante Trump‹ propagiert, verfängt nicht. Zukunft, nicht Verwaltung der Gegenwart«, sollten wieder im Zentrum von Politikentwürfen stehen, man solle »radikaler an das Versprechen der Aufklärung ›Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit‹« anknüpfen und »eine utopische Kraft entwickeln«. Wobei die Autoren dies an »Liberale« adressieren, wobei etwas unklar bleibt, wer damit gemeint sein soll, mag sein, es ist die in den USA gebräuchliche Bedeutung gemeint.